Das Wörtchen „random“ und der Zufall
Heute wieder ein Artikel aus der fiktiven Rubrik „Dinge, die wir häufiger erleben“. Wer redaktionell mit Übersetzungen zu tun hat oder öfter vom Englischen ins Deutsche übersetzt, ist ihm vermutlich schon einmal begegnet: dem englischen Begriff „random“. Dieser wird, je nach Verwendung im Original, gerne mit „zufällig“ übersetzt, vermutlich basierend auf der bekannten Zufallszahl, der „random number“. Leider ist aber die Zahl der Fälle, bei denen man im Deutschen von einem Zufall sprechen würde, deutlich geringer, als es die Häufigkeit derartiger Übersetzungen nahelegt.
Ein Zufall, so schreibt es der Duden, ist etwas, das einem „zufällt, zuteilwird, zustößt“, also etwas, auf das man keinerlei
Einfluss hat, das einem schlicht widerfährt. Entsprechend bezeichnet das Wort „zufällig“
etwas, das nicht beabsichtigt ist oder erwartet werden kann. Dies entspricht der
Bedeutung von „random“ aber nur zum Teil. (Tatsächlich würde man im Englischen eher
„by chance“ oder „by accident“ sagen, je nachdem, ob man das, was einem gerade zufällig
geschehen ist, positiv oder negativ bewertet.)
So definiert die Website Dictionary.com „random“
etwa als „proceeding, made, or occurring without definite aim, reason, or
pattern”, frei übersetzt also etwas, das ohne einen bestimmten Grund, ein festes
Ziel oder ohne einem gewissen Schema zu folgen, geschieht oder bewirkt wird. Der
aufmerksame Leser hat es natürlich längst bemerkt: Der kleine, aber feine
Unterschied besteht in der Formulierung „bewirkt wird“. Während „zufällig“ also
etwas beschreibt, das einfach passiert, ohne dass jemand Einfluss darauf hätte,
kann man bei „random“ – je nach Zusammenhang – durchaus von Absicht ausgehen,
nur eben nicht im Hinblick auf das Ergebnis oder die Vorgehensweise.
Nun gibt es natürlich auch Fälle, in denen
„random“ tatsächlich „zufällig“ bedeutet. Als Beispiele seien die besagte „random
number“ oder auch die „random occurrence“, die zufällige Begebenheit, genannt. In
beiden Fällen kann man – nach obiger Definition des Duden – zu Recht von Zufall sprechen,
denn derjenige, der die Zahl ermittelt, kann sie nicht vorhersehen oder
bestimmen, und der, dem die Begebenheit widerfährt, kann nichts dafür und hat auch
keinen Einfluss darauf.
Viel häufiger bezeichnet „random“ aber
etwas, das zwar „schon irgendwie zufällig“ ist, dem aber die oben genannten
Komponenten des mangelnden Einflusses oder des Widerfahrens vollkommen abgehen,
etwa die „random violence“ oder der „random guy“. Hier von „zufälliger Gewalt“
oder einem „zufälligen Typ“ zu sprechen, verfälscht schlicht den Sinn, denn die
Gewalt wird ja von jemandem ausgeübt und der Typ wird nicht per Los ermittelt.
Im Deutschen gibt es für diesen Umstand aber eine Reihe passender Adjektive:
willkürlich, wahllos, beliebig (oder auch entsprechende Synonyme). Natürlich handelt
es sich hier um „willkürliche Gewalt“, und der Kerl, dem man auf der Straße
begegnet, ist einfach „irgendein Typ“.
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